Sortierphase

Aus Sofies Blog stammt die Idee (oder Tatsache), dass die Zeit zwischen den Therapiestunden keine "Wartezeit" ist, sondern Arbeitszeit. Mindestens "hälftig".:
Instinktiv mache ich das ja schon seit Beginn meines Weges so. Ich lasse mir bewusst Vor- und Nachbereitungszeit. Meist geht es auch gar nicht anders. Wenn ich die Zeit einmal nicht hatte, kam es stets zu großen Spannungen oder sogar zum Unfall. Gestern habe ich etwas bewusster darauf geachtet: Es ging mir richtig auf die Nerven, wenn mein Prozess immer wieder unterbrochen wurde. Und tut es noch! Es tut förmlich weh - körperlich weh. Nicht nur seelisch. *grml*
Dienstag und gestern waren sehr intensive Tage. Immer wieder fällt mir auf, dass ein Grund für diese Spannungen offenbar auch die nicht zugelassene Trauer ist. Sie muss immer wieder in den Hintergrund treten, weil der Alltag sich davor schiebt. Worum sollte ich auch trauern von außen betrachtet? Ist doch alles da in meinem Leben, was ich brauche!
(Ich sehne mich nur ein "bisschen" nach Mutter- und Elternliebe, bin nur ein "bisschen" krank und bin nur ein "bisschen" suizidal. Das wars schon.)

Diese Thematik hatte ich gestern mit meiner Freundin (K.A. 🌟) : Trauer hat in unserer Gesellschaft kaum noch Raum. Sie war bei einem Bekannten im Büro, um bei der Ablage von Papierkram zu helfen. Das tut sie immer wieder mal, seit dem plötzlichen Tod seiner Frau vor anderthalb Jahren. Er hat seine Frau sehr geliebt. Seine Angehörigen hatten im Herbst 2016 nach wenigen Wochen gefordert, "...er solle doch endlich ins Leben zurück kehren! Schon der Kinder zuliebe..." Früher trug man ein Jahr lang schwarz und ein jeder gestand einem Trauernden eine ausreichende Phase des Rückzugs zu. Heute gilt das nicht mehr. Ein paar Wochen nach einem schweren Verlust hat man wieder gesellschaftsgleich-fröhlich durchs Leben zu springen! Nur niemanden mit den eigenen Gefühlen zu nahe treten und nerven.

Und meine Trauer? Vor 2 Wochen stellte ich fest, dass sie gar kein reales Gegenüber hat. Meine Eltern haben und haben und haben mir nicht zu gehört. Es war komplett egal, was ich tat, sagte oder schrieb... Auf sie bezieht sich diese Trauer daher folglich nicht. Damit läuft meine Sehnsucht und Trauer ins Leere hinaus. Ich kann sie auf andere Mensch projizieren, aber das hilft mir nicht weiter. Es kann nur eine "Krücke auf Zeit" sein - nicht mehr und nicht weniger. Trotzdem stellt sich mir die Frage, wie man dann je damit abschließen kann...?

Unsere Zeit ist zu schnelllebig, zu oberflächlich, zu überfordernd... Mit diesem Tempo komme ich nicht mehr mit. Noch nie hatten Menschen so viel Zeit, wie wir jetzt. Maschinen, Computer und Roboter nehmen uns so viel Arbeit ab. Eigentlich müßten wir in Zeit schwimmen und tun es doch nicht. Wir müssen uns die Zeit abknapsen, um in Ruhe einen Schmetterling zu beobachten oder den Wind, wie er mit den Blättern in den Bäumen spielt. Wir müssen uns zwingen, inne zu halten, um dem Regen beim Tropfen lauschen zu können. Das Alltägliche zieht einfach so an uns vorüber. Ohne das wir es einen Moment lang würdigen können.
Solch ein Leben möchte ich nicht. Ich möchte mir bewahren, immer wieder die kleinen und alltäglichen Dinge zu sehen und zu bestaunen, wie ein Kind... die Raupe auf dem Blatt... die Schnecke im Gras... der Pilz auf der Waldlichtung und der Morgentau im Spinnennetz. An all diesen Schönheiten möchte ich nicht vorbei hetzen, weil etwas anderes Unwichtiges sich im Leben wichtiger macht, als es ist. Und so, wie all diese schönen Dinge Raum und Zeit haben dürfen, so sollen auch Gefühle, wie Trauer ihren Platz und ihre Berechtigung haben dürfen.

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