Warten 4.0 & Wut

Da hatte ich sie fertig.
Die Rückwärtskalender meiner Kinder lagen vor mir. Doch nicht nur die Kalender waren fertig. Ich selbst war es auch - ziemlich fertig sogar. Ich war erschöpft. Die Gedanken wechselten munter die Farbe. Einerseits freute ich mich: Ich war fertig geworden. Beide Kalender gefielen mir gut. Andererseits stieg langsam Wut in mir auf, dass es überhaupt notwendig geworden war, solche Kalender zu basteln. Ich hatte es ohne wochenlange Auszeit schaffen wollen...


Bis zum Abend kam ein unguter Cocktail zustande:

"Meine Eltern hassen mich...

Sie müssen mich einfach hassen...!
Es kann gar nicht anders sein!

Das Schlimmste für ein Opfer nach der Tat ist, wenn ihm nicht geglaubt wird.
Warum tun sie mir das an?!?
Weiß sie von seiner Schuld?
Ist die Scham für Beide zu groß?
Sie steht zu ihm - nicht zu mir. Warum???
Sie hinterfragt es nicht einmal bei mir!
Müsste sie nicht mit Abwehr reagieren, wenn sie der Meinung wäre, ich würde lügen?
Und er? Hat er es verdrängt? Alles? Kann er nichts davon erinnern?
Forgotten! Mein Körper und mein Geist können sich erinnern. Viel besser, als sie wollen.
Stattdessen Schweigen.
Ist das Schweigen Beider ein Schuldeingeständnis?

Warum tun sie mir das an???
Warum...?
???"


Ich weiß, dass dies alles Fragen sind, die überhaupt nichts bringen.
Manchmal denke ich mir: >Es ist doch alles gut. Es ist vergangen und vorbei. Und damit gut, wie es jetzt ist.< Manchmal eben, nicht all zu oft.
Für den Rest der Zeit stecke ich einfach fest: in Überforderung, in Lebensmüdigkeit und im Hamsterrad des Alltags, unfähig mich angemessen um mich selbst und um meine Anteile zu kümmern.

...Dann steht sie da, die Kleine, die soviel tragen muss. Mein Chef gibt einen Auftrag und *zack* ist sie da die Überforderung. Schon glitzern kleine Winzigkeiten im Augenwinkel. Ich spüre wie er meine Traurigkeit und meine Überforderung wahrnimmt. Wie er ein Stück zurückweicht. Aber auch wie er meinen Mut wahrnimmt, es trotzdem zu probieren. Er ahnt ja nicht, dass sein Gegenüber ein Kind sein könnte. Er sieht die Hülle einer erwachsenen Frau, die so alt ist, wie er selbst.

...Oder nachmittags daheim, wenn meine Tochter schlecht gelaunt die Tür ihres Zimmers zuschmeisst... Okay, dass geht schon besser! Ich verstehe sie nämlich, ich fühle mich genauso und bin auch etwa genauso alt! *lacht*
Ich nehme sie in den Arm und tröste sie... Mache mir dazu Gedanken. Was spürt sie von mir? Ich darf keinesfalls kleiner sein als sie. Auch nicht genauso alt und groß, wie sie. Sie ist das Kind und ich *lachtnochmal* die Erwachsene! Merkt sie nicht?!? Und ob! Sie hat sehr feine Antennen für so etwas. Ich versuche so groß wie irgendmöglich zu sein. *streck*

...Oder abends. Da bin ich einfach nur noch froh, dass der Tag herum ist. Ich will mich verkriechen, abtauchen, weg aus dieser Welt, nicht hier sein, ausblenden, nicht mehr funktionieren müssen, keinen Schmerz mehr spüren und kein Rauschen & Pfeifen mehr hören - einfach nur noch ich sein. Nach der ganzen Arbeit und Plackerei will ich - will die 10-jährige - einfach mal Kind sein. Ausruhen. Verschnaufen. Sich um sich kümmern. Sich anlehnen, an eine(n), die(der) Rat geben kann.

Mit 10 braucht man keine eigenen Kinder und auch keinen Mann. Mit 10 braucht man weder Job noch Verantwortung. Mit 10 will man keinen Haushalt führen. Mit 10 möchte man nicht noch hunderte Aufgaben zusätzlich bekommen...

Ich möchte, dass mein Kind - also ich - einen kompetenten Erwachsenen an die Seite bekommt - also mich. Das Kind - also ich - ist todmüde und erschöpft. Es - also ich - kann keinesfalls so noch lange weiter machen...

Ich-Mich bin unendlich erschöpft... So unendlich... Erschöpft. Zu müde für den Alltag.
Fast nicht mehr da, denn ich warte auf meinen geschützten Raum auf Zeit.

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