Ein Credo fürs Tragen

Nicht nur Nahrung braucht es, sondern auch:

Dem Herzschlag nah sein.
Atem spüren.
Die Stimme hören.
Geborgenheit empfinden.
Und Sicherheit.
Wärme fühlen.
Erste Blicke von Mutter oder Vater aufnehmen.
Dadurch erste Regulation von Emotionen erlernen.
Gehalten und getragen sein.
Angenommen und gesehen werden.
Ankommen in der Welt.

All das braucht ein Neugeborenes in den ersten Tagen und Wochen dringend.
Ganz viel Nähe.
Getragen sein im wahrsten Sinne des Wortes.

Bekommt ein Neugeborenes diese besondere und einzigartige Nähe nicht, verkümmert es emotional.
Es ist auf diese Nähe angewiesen. Erst wenn es über Halt und Geborgenheit eine sichere Basis fürs Leben erfährt, kann es auch neugierig und mutig die Welt entdecken.

Doch was taten viele Eltern in den letzten Jahrzehnten? Sie legten ihre Kinder weg: in Stubenwagen, Babyschalen, Kinderwagen, einsame Bettchen...
"Nun leg doch endlich mal das Kind weg!", schallt es noch vielen jungen Müttern meiner Generation im Ohr! Nein, wir wollen unsere Kinder nicht mehr weglegen. Wir finden wieder eine Balance zwischen ausgewogener Nähe und Distanz, entsprechend dem Alter und den Bedürfnissen unseres Kindes. Und das "Schreien lassen die Lunge kräftigt" überhören wir genauso gekonnt.
Dabei ist Tragen wunderbar. Das Baby ist zufrieden. Die Mutter auch. Die hat nämlich nicht nur ihre Hände frei, sondern auch die Enden ihrer Nervenbahnen (z.B. für das größere Geschwisterkind). Sie ist auch barrierefrei; keine einzige Treppe stört.

Viele Menschen in unserer Welt sind bettelarm. Sie haben kaum sauberes Trinkwasser, genügend Nahrung, saubere Kleidung, ein intaktes Dach über dem Kopf, geschweige denn geeignete Impfstoffe oder Medikamente.
Aber in einem sind sie reicher als wir: in der Art und Weise, wie sie ihren Babys Nähe und Geborgenheit im ersten Lebensjahr schenken. Da wird im Vergleich jedes Industrieland zum Entwicklungsland. In den letzten Jahren jedoch setzt ein Umdenken ein. Vielleicht haben wir in dieser Hinsicht bald das Upgrade zum Schwellenland geschafft.

Als meine Nichte ein dreiviertel Jahr alt war, rief mich abends einmal meine Schwägerin an. Was ich mit ihrer Tochter gemacht hätte?!? Sie sei so friedlich und ausgeglichen. So ganz anders als sonst.
Ich hatte nichts weiter getan, als sie zu tragen. Den halben Nachmittag und den frühen Abend hatte sie schlummernd oder eben neugierig die Welt betrachtend auf meinem Rücken in der Trage (Ergo Baby Carrier) verbracht. Und das Allerbeste: wir haben es beide jede Minute lang genossen! 😊

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