Wie kann man...?

...einen Menschen verlieren, der noch da ist?

Kann man jemanden verlieren, der so wie gewollt nicht wirklich für einen da war?


Was vermisse ich?
Was suche ich?
Diese Sehnsucht
schmerzt so tief...
so immens stark...
(Sie ist ein Killer!)


Es befand sich ganz harmlos am rechten Rand eines kleinen Schwarz-Weiss-Fotos in einem Fotoalbum. Ein Kinderbettchen.
Es wäre mir gar nicht aufgefallen, wenn mein Sohn nicht etwas gefragt und meine Tante das Bild nicht kurz erklärt hätte: Es zeigte ihr Zimmer daheim, in dem sie als junge Erwachsene lebte. Darin ein Kinderbett, keine 2 Meter vom Bett meiner Tante entfernt. Es war mEIN Bett! (Von der 3. bis zur 5. Woche habe ich darin geschlafen.) Doch warum im Zimmer meiner Tante und nicht bei meinen Eltern???
Sie lebten in diesen Tagen ebenfalls in dieser Wohnung meiner Oma. 
Das Bild tauchte erst einmal ab.
Abends tauchte das Bild wieder auf.
Ich fragte bei meiner Tante nach. Alles liegt mehr als 40 Jahre zurück und auch meine Tante ♡  kann da nicht mehr alles erinnern. So vermutete sie, sie wollten vielleicht einfach mal alleine sein... Außerdem war es ziemlich kalt, in dem Schlafzimmer, welches meine Eltern bezogen hatten.
Diese Erklärungen bildeten jedoch immer größere Knoten und Knäuel in meinem Kopf.


Ich versuchte mich an einer pragmatischen Betrachtung:
Eltern (Mutter nach Kaiserschnittentbindung), Neugeborenes (3 Wochen alt) , Tante (junge Erw. in der ersten Zwanzigerhälfte) - alle in der Wohnung der Eltern (also meiner Oma/ meines Opas).
Tante muss morgens zur Arbeit. Schwierig, wenn da so eine kleine Motte neben ihr schläft, die nachts durchaus mehrfach wach wird. Schlafzimmer der Eltern eisekalt - ok - kann man den Säugling warm einpacken. Nachtruhe gut verpackt bei kalten Temperaturen haben noch keinem geschadet.
...
Ich kann keinen wirklichen Vorteil finden, der die gefundene Konstellation begründet. Es gibt keinen. Selbst wenn meine Mutter nach der Schnittentbindung vielleicht noch Ruhe brauchte, hätte sie sich nachts um mich kümmern können. Sie hat sich ja tags mit mir ausruhen können. Musste nicht mal einen Haushalt führen - hatte ja keinen eigenen.
Warum nicht? Warum wieder keine Mutter?
Auch dann nicht, wenn es möglich war...!?!
(Im Übrigen glaube ich nicht, dass meine Tante nachts ins Schlafzimmer meiner Eltern gelaufen ist, um meine Mutter zu wecken und ihr mitzuteilen, dass ihre Tochter wach geworden ist.) 

"...das war eben früher so..."

Jaja, dass mag wohl sein. Es will einfach nicht in meinen eigenen Mutterkopf hinein, wie man sich derartig seinem Neugeborenen selbst entziehen kann. So gar keine Bindung zum Kind aufbauen kann...???
Das ist durchaus empathisch gemeint. Ich glaube schon, dass es meiner Mutter damals gut getan hätte, zu unserem schwierigen Start ins Mutter-Tochter-Verhältnis kompetente Hilfe zu erhalten. Doch offenbar gab es die nicht - nicht so, wie sie von nöten gewesen wäre. Es gab Mütterberatungsstellen, wo man regelmäßig mit den Kindern hinging. Dort ging es offenbar eher um nackte Zahlen: Wächst es? Trinkt es? Schläft es? Sitzt es schon auf dem Topf? Hält es alle Entwicklungsschritte ein? Für Emotionales war da wohl kein Raum...

Vielleicht ist es eine Mischung? Ein Konsens aus Vielem? Faktoren, die meine Mutter (und auch mein Vater) mitbrachte, die Umstände der Zeit und letzenendes auch meine eigenen Anlagen:
Dort, wo bei den allermeisten Menschen das Selbst und damit auch das Selbstbewusstsein wurzelt - das Urvertrauen - dort ist bei mir ein gigantisches Loch. Da ist nichts. Ich bin dort allein als Partikel in einem kalten, unendlich großen Raum...


Oder als körperlicher Vergleich: Hinsichtlich meiner Gier nach emotionaler Versorgung von außen (da ich im Innen für mich zu wenig habe) bin ich maximal abgemagert. Ich bin praktisch ein Gerippe. (Daher verstehen nur wenige Menschen die Brisanz meiner emotionalen Unterversorgung und Hilflosigkeit.)
Ein satter und genährter Mensch kann sicher großes Mitgefühl mit einem Hungernden empfinden, aber er hat den Hungerschmerz und die daraus resultierende Schwäche nicht im eigenen Körper. 

♡♡♡♡♡

Mein liebes Tantchen,

ich möchte weiterhin die Wahrheit wissen. Nichts als die Wahrheit! Schone mich nicht! Die Wahrheit mag schmerzhaft sein. Auf Dauer kann ich jedoch besser mit ihr leben, als mit lauter schwarzen Flecken auf meiner Landkarte, deren Bedrohung größer wird, je länger sie in meiner Nähe verweilen. Vielleicht größer, als ihnen per Wahrheit zustehen würde.

Danke, dass Du in meiner Nähe warst.
Danke, dass Du in meiner Nähe bist.

In Liebe und Verbundenheit - Deine Himbeere.

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