Lieblingstraum

"Mein Sohn war damals gerade 2 Jahre alt. Wir waren auf dem Bahnhof und wollten natürlich mit dem Zug fahren.
Der Zug fuhr auf unserem Bahnsteig ein. Wir stiegen ein uns suchten uns einen Sitzplatz. Plötzlich war unser Sohn weg. Ich sah aus dem Fenster. Als der Zug anfuhr, sah ich den kleinen Mann am Bahnsteig stehen. Er stand da einfach so und schaute ganz arglos dem Zug hinterher, wie er aus dem Bahnhof hinaus fuhr. Ganz ohne Angst, eher mit Staunen, betrachtete er den Vorgang.
In mir hingegen wuchs die Angst rapide, nachdem sich die erste Schockstarre wieder zu lösen begann. Inzwischen war mein Sohn aus meinem Blickfeld verschwunden.
Ein Zugbegleiter eilte durch unseren Wagen. Ich hielt ihn auf und sprach ihn an. Aufgeregt erklärte ich ihm, dass unser Sohn am Bahnsteig zurück geblieben war und ich Angst hatte, dass ihm etwas zustößt. Er versprach, sich sofort darum zu kümmern, dass jemand den kleinen Wicht findet und auf ihn aufpasst, bis wir eintreffen. Außerdem nannte er uns die nächste Zugverbindung, die uns wieder zum Ausgangsort zurück bringen würde.

Sekunden und Minuten zerronnen gefühlt zu Tagen, Wochen und Jahren. Endlich kamen wir wieder am Bahnhof an. Wir stiegen aus. Suchend schaute ich mich um. In einiger Entfernung entdeckte ich meinen Sohn auf dem übernächsten Bahnsteig. Da stand er! Wohl behalten und gesund stand er da in seiner Latzhose aus braunem Cord... Aber wen hatte er an seiner Hand? Er lächelte und war offenbar überglücklich. Er schaute diese Person an. Es war meine Oma, die zu diesem Zeitpunkt bereits seit 16 Jahren verstorben war. Sie sah glücklich zu meinem Sohn. Ihr ganzes Gesicht strahlte nur so. Und dann sahen beide wieder zu uns hinüber..."

Ich wachte auf und Freudentränen liefen mir übers ganze Gesicht! Ich hatte meine liebe Oma noch einmal wieder gesehen. Als stünde sie noch ein letztes Mal lebendig vor mir. Ganz detailliert und so wie sie vor ihrer Erkrankung war. Das machte mich sehr glücklich die Beiden so innig verbunden zusammen zu sehen!


Vielleicht kennt Ihr das? Wenn jemand gegangen ist (wie auch immer) und wir diesen Menschen lange Zeit nicht mehr gesehen haben, dann tragen wir ihn/sie weiter fest in unserem Herzen. Dennoch will es immer schlechter gelingen, uns Einzelheiten ins Gedächtnis zu rufen. Wie klang die Stimme? Wie waren Umarmungen? Wie sah der/die jenige genau aus? Wie war das Lachen? Immer weniger Einzelheiten fallen uns ein. 
Die Menschen, an die ich mich erinnern möchte, haben dann meist kein Gesicht mehr oder nur noch sehr schemenhaft. Dann strenge ich mich an und will genauer hinsehen und kann es doch nicht. Vor allem im Traum kann ich dann nahezu nichts mehr erkennen, wenn ich besonders viele Details sehen möchte. 
In diesem Traum war es anders: Jedes noch so kleine Lachfältchen meiner Oma war so klar zu erkennen, als wäre es Wirklichkeit...

Meinem Sohn habe ich den Traum mittlerweile erzählt und mehrfach - immer und immer wieder erzählen müssen. Er kennt meine Oma nur von Fotos und von meinen Berichten. Er mag sie - schon wegen dieses Traumes.
Und ich glaube tatsächlich, dass diese Beiden einen wahren Narren aneinander gefressen hätten, wenn - ja wenn sie sich denn im Leben begegnet wären.

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