Kulissen von Vorgestern

Auf Wegen durch unsere Heimatstadt stellt sich immer dann im Innen Ruhe ein, wenn der Blick nicht erkennt, ob es nun gerade 2020 oder vielleicht doch noch 1985 ist. Wenn Laternen, Zäune, Straßen- und Gehwegabschnitte noch nicht ins neue Jahrtausend gefunden haben.
Kopfsteinpflaster wechselt mit Asphaltresten. Geborstene Gehwegplatten vergangener Tage grüßen alte Farbreste am schmiedeeisernen Zaun, durch den das Grün hindurch greift. Vögel zwitschern dazu und nichts davon lässt vernehmen, dass Globalisierung und Digitalisierung schon längst eine gänzlich andere Ära eingeleitet haben.
Dann... ja dann wird es im Innen ganz ruhig. Ein vertrautes Grundgefühl stellt sich ein. Manchmal gesellen sich ein paar Erinnerungsfetzen an schöne Momente hinzu. Es ist wie ein Blick in die Vergangenheit - ein Fenster, durch das man im Vorbeigehen einen Augenblick hinein lugen kann.
Dann - und nur dann - kann ich wirklich wahrnehmen, fühlen, spüren. Dann sind Dinge und Umgebung "echt", dann fallen mir kleine Details auf. Dann ist meine Umgebung real und ich weitgehend "ganz". Also alle sind dann zusammen "vorn, dabei und auch zufrieden".

Ähnlich erging es mir vor Jahren mit einer Ausgabe der Zeitschrift "Krone" aus Österreich. (Eigentlich ist das ein furchtbar langweiliges Blättchen mit viel zuviel Werbung darin.) Aber gerade der Werbeteil lies Ruhe im Innen einkehren. Was war passiert? (Damals konnte ich es noch nicht interpretieren.)
Vorallem die Reklame der Krone war ein wenig so präsentiert, wie es in manchen Heften der "Burda" in den 80-ern der Fall war. (Und das Papier roch auch noch so ähnlich!) Meine Oma durfte "ab und an" mal rüber fahren und hat von da immer einige Hefte mitgebracht. Manchmal auch einen Quelle- oder Neckermannkatalog. So saßen wir dann in ihrem Garten auf der Sonnenliege und blätterten durch die bunte Warenwelt, welche uns lange Zeit versagt blieb.

Was ist es...? Ressource.
Bewusst da lang gehen, wo die Welt noch von Vorgestern scheint. Wo nichts daran erinnert, dass die letzten 30 Jahre schon ganz viel verändert und erneuert haben (was ja gut so ist).
Rückschrittlich?
Vielleicht...
Für uns sorgen diese Kulissen für ein wenig Ruhe im Innen und für Wahrnehmung, statt Dissoziation.
DAS ist wichtig für uns und fühlt sich gut an.

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