Jahrestag

Vor einem Jahr war es soweit:

Es war ein lauer Sommerabend.
Die Kidies waren schon im Bett.
Wir schauten ein wenig fern.
Es begann langsam zu dämmern.
Die Luft war noch mild und duftete nach Blüten.
Ich schaute meinen Mann an.
Den "Trennungsbrief" an meine Eltern in der Hand.
Jetzt!
Es war soweit.
Mein "Befreiungsschlag" stand unmittelbar bevor.
Es war einer jener Momente, an denen man glaubt, die Zeit sei doch in der Lage still zu stehen.
Gefühlt bewegte sich gar nichts.
Nicht einmal die Blätter an Bäumen und Sträuchern.
Dafür schlug mein Herz laut und hart bis hoch zur Kehle.
...
Ich setzte die Kapuze meiner dünnen Jacke auf und machte mich auf den Weg.
Nicht, dass es kühl gewesen wäre - Jacke und Kapuze waren mir wie eine Art Schutzmantel.
Ich fuhr die wenigen Minuten bis zu meinem Elternhaus mit dem Auto.
Nur nicht ins Grübeln und Zögern kommen - jetzt!
Husch - zum Briefkasten - Schwupps hinein damit.
Zurück zum Auto und wieder los.
...
Frei!
...
Kapuze wieder herunter.
Jacke wieder aus.
...
Frei!
...
Und wie Freiheit fühlt es sich noch immer an - heute nach einem Jahr...!



-----------------------------------------------------------------------------------------------------



Und am nächsten Tag wurde mein Brief entdeckt.
Alles war nun anders für meine Eltern.
Ohne Zweifel - kein gutes Jahr für sie.
Aber auch ich habe im vergangenen Jahr gekämpft.
Habe mir Gedanken gemacht, wie es ihnen ergangen sein mag.
Schuldgefühle plagten mich.
Ich habe mich weiter entwickelt.
Bin stärker geworden.
Stehe nun wenige Tage vor dem Schritt, meinen Eltern ein Gespräch anbieten zu können.
Ich bin schon weit gegangen und es hat sich gelohnt.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Arbeit mit EMDR (4-Felder-Technik)

Die Baumübung

Ich