Eine dringende Bitte

Eine wichtige Mail:


Sehr geehrter Prof. Dr. Lauterbach, sehr geehrte Mitarbeitende im Bundesgesundheitsministerium,

BITTE SCHLIEßEN SIE DIE 2 JAHRE LANGE VERSORGUNGSLÜCKE IN DER PSYCHOTHERAPIE FÜR PSYCHISCH ERKRANKTE MIT SCHWEREM UND CHRONISCHEM VERLAUF!!!

Hierzu einige Erläuterungen:
Ich spreche hier für Viele (oft im wahrsten Sinne des Wortes!). Für Viele Betroffene mit meinem oder ähnlichem Beschwerdebild (PTBS, kPTBS, DESNOS, DDNOS, DIS) stellt der Höchststundensatz in der Psychotherapie eine dramatische Lücke dar. Die anschließende Wartezeit von 2 Jahren auf eine erneute Psychotherapie sorgt meines Erachtens für noch höhere Folgekosten (Klinik- oder Psychiatrieaufenthalte, Krisenintervention, diverse Folgekosten durch zeitgleiche Verschlechterung der physischen Gesundheit etc.).
Im Wissen, dass es noch andere schwer-chronische, psychische Erkrankungen gibt, spreche ich hier aus meinem eigenen Erfahrungsbereich der Traumafolgestörungen. Hier geht es um schwerste Bindungstraumata, körperliche Gewalt, seelische Gewalt, sexuelle Gewalt und rituell-sexuelle Gewalt. Diese unvorstellbaren Greuel mussten oft schon in jüngsten Jahren erduldet und erlebt werden. Die allerjüngsten Betroffenen trugen noch Windeln!
Daher konnten wir Überlebende uns nicht "herkömlich" entwickeln. Unser Nervensystem, dessen Ausbildung noch lange nicht abgeschlossen war, musste sich in maximalem Ausmaß anpassen, um zu überleben: Es musste sich Aufspalten. Früh traumatisierte Menschen besitzen somit kein einheitliches Nervensystem im eigentlichen Sinne, sondern ein stark angepasstes, welches sozusagen über viele Teilnetzwerke verfügt. Das führt zur Ausbildung mehrerer Ego States oder gar voll abgesspaltenen Innenpersonen.
Das Leben mit einem solchen Flohzirkus gleicht einem immerwährenden Kraftakt. Ständig müssen verschiedenste Interessenkonflikte, Ängste, Emotionen, Schmerzen, Bedüfnisse und Wünsche reguliert werden. Ohne Helfer im außen ist solch ein Leben nicht zu stemmen. Kontaktabbruch oder auch nur Kontakteinschränkung zu Helfern bedeutet schlicht Todesangst und Retraumatisierung - kurzum: ES IST UNTERLASSENE MED. HILFELEISTUNG!
Um Vertrauen zu einer Person aufbauen zu können braucht es oft Monate intensiver Arbeit; nur dann können sie als Helfer angenommen werden. Es nützt also wenig oder schadet sogar, wenn in Krisensituationen völlig fremde Menschen, denen (leider) kein Vertrauen geschenkt werden kann, als Intervenierende zur Verfügung gestellt werden! Zu oft, zu früh, zu brutal wurde Vertrauen immer wieder zerbrochen. Einem fremden Helfer zu vertrauen bedeutet auch hier zusätzliche(!) Todesangst. Folgen hierfür können schwere, dissoziative Zustände sein, die mit Unbeweglichkeit, Sinneseinschränkungen, Flashbacks, Selbstverletzung bis hin zu Suizid(-versuchen) einhergehen.
Diese Zustände halten dann nicht nur Minuten oder Stunden an. Viele Betroffene finden sich in monatelang anhaltenden "Schleifen" wieder, aus denen sie nur schwer (oder gar nicht) wieder herausfinden. 

Die psychotherapeutische Behandlung stellt im Leben komplex Traumatisierter einen festen und zentralen Punkt dar. Andere Helfer (Psych. Ärzte, Ergo-, Physiotherapeuten, APP, Soziotherapeuten...) sind ebenfalls sehr wichtig, flankieren den zentralen Punkt der Psychotherapie jedoch eher.
Wenn Sie uns also für 2 Jahre die Psychotherapie "weg nehmen", nehmen sie uns eine wichtige Überlebensgrundlage weg und bringen uns in fatale und bedrohliche (Über)Lebenssituationen!
Es nützt daher auch wenig einmal "alle 4 Wochen" einen Einzeltermin von der Kasse bezahlt zu kommen. Viele Betroffene (die es sich leisten können), zahlen die Sitzungen in der Sperrzeit also aus eigener Tasche oder sparen sie in der Phase, wo die Krankenkasse die Stunden zahlt privat an. Nicht wenige Psychotherapeuten behandeln schwer Traumatisierte zum halben Stundensatz oder gratis weiter, da sie das Elend, welches aus der Nichtversorgung erwächst, nicht ertragen können.
Der Löwenanteil fällt jedoch in ein 2 Jahresloch! Sie haben kaum Kontakt zur wichtigsten Bezugsperson (vorallem für die traumatisierten Innenpersonen fatal!). Es ist so, als ob sie jungen und jüngsten Kindern, Vater und Mutter zugleich wegnehmen, sie alleine in der Wohnung belassen und jeden Monat schaut mal eine entfernte Verwandte vorbei für eine(!) Stunde. Das ist höchste Not! Das ist wieder Todesangst!
Ist man in einem solchen Zustand, nützt es herzlich wenig, dass der Körper zumindest erwachsen geworden ist. Die Zustände/ Innnenpersonen bewusst und gesteuert wechseln ist praktisch nicht möglich!

Mir ist durchaus bekannt, dass die Versorgung durch Psychotherapie in Deutschland zwar flächendeckend vorhanden ist, aber keinesfalls in einer entspannten Lage. Zu lang sind Wartezeiten auf einen Therapieplatz. Solche "Blockierer" wie wir, sind in einem solchen System keine gern gesehenen Gäste. Aber der Bedarf ist nun mal da und lässt sich nicht wegdiskutieren. Also MUSS ausgebaut werden. Es müssen mehr qualfizierte Therapieangebote zur Verfügung stehen. Es muss eine flächendeckende GemeindepsychiatrischeBasisVersorgung (GBV - Hierzu läuft gerade eine deutschlandweite Studie bis Jahresende) aufgebaut werden.

Aus Sicht der oft kindlichen Opfer von Gewaltverbrechen, sehe ich auch die Gesellschaft in der Pflicht. In den ALLERwenigsten Fällen werden die Täter von Gewaltverbrechen in Vereinen, Institutionen, Verbänden und allen voran IN FAMILIEN gefasst und zur Rechenschaft gezogen. Die Täter sind und bleiben unbehelligt; sind gar für die Justiz nach der Verjährung nicht mehr greifbar! Nach wie vor wird vorallem in Familien bewusst weggeschaut und geschwiegen! Die Betroffenen bleiben allein mit ihren Einschränkungen. Zur schlechteren Gesundheit, eingeschränktem oder gar nicht erst vorhandenem Berufsweg, kommen die Sorgen um Finanzen und "Therapielücken" dann noch dazu...
Geld um diese Therapielücke für schwer Betroffene zu schliessen MUSS EINFACH da sein! Die Gesellschaft sollte das Mittragen und Mitbezahlen. Ich provoziere jetzt mal: Der Urlauber, welcher sich bei einem selbstverschuldeten Sturz beim Skiabfahrtslauf schwer verletzt hat, wird doch auch medizinisch versorgt und rehabilitiert, so lange das nötig ist. Warum erhalten Betroffene von (UNVERSCHULDETER!) Gewalt diese Hilfe nicht???

Verweise auf das OEG oder den Fond  sex. Missbrauchs, halte ich hier ebenfalls für verfehlt. Die Hürden aus solchen Töpfen Gelder für Therapiekosten zu erhalten, sind sehr hoch. Die Wartezeiten betragen Jahre und reichen oft an das volle Jahrzehnt heran. Das ist keine Hilfe, sondern zusätzliche Belastung.

Ich erhoffe mir von meiner Mail, dass im Sinne aller Betroffenen im Gesundheitsministerium ein neues Bewusstsein entsteht, welches zum Schließen dieser Versorgungslücke führt. (Hierzu verweise ich auf auf die Daten und der Erkenntnisse der unabhöngigen Kommission zur Aufklärung von sex. Missbrauch in Deutschland.) Ich hoffe, dass meine Mail gelesen und verstanden wird und nicht im Wust abertausender Mails an Sie verschwindet.
Ich schreibe hier als Bürgerin von Deutschland, als Vertreterin von Betroffenen und letztenendes auch als Anwalt meiner eigenen kleinen Mannschaft im Innen.

Mit besten Grüßen

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