Vom Umgang mit Betroffenen von Gewalt & psych. Erkr.



Heute ist Ferientag - also Ferientag für meine "echten" Kinder. Für den Rest im Himbeersplitterkosmos ist der Tag einfach nur Stress. Richtig übler Stress. Lärm, viele Menschen, unbekannte Umgebung. Ich habe mich in eine ruhigere Ecke der Cafeteria zurück gezogen. Niemand hinter oder neben mir, habe ich das Wichtigste weitgehend im Blickfeld. Meine Schwägerin hopst derweil mit meinen Kindern und meiner Nichte um die Wette. Ich bin nur der Statist hier. Kreislauf, Muskulatur, Puddingknie: Keines meiner Körperteile denkt hier ernsthaft daran auf den zahlreichen Trampolinen mitzuspringen. Dabei würden meine Jüngeren die ungehemmte Hopserei und Toberei sehr mögen!
Doch der Körper ist 45 und hat bislang eine scheußliche Woche hinter sich. Bin quasi wie mit Beton ausgegossen. Jede Bewegung, vorallem jede Bewegung aus der Komfortzone heraus verursacht starke psychische Schmerzen. 

Seit Montagmittag befinde ich mich in einem nicht enden wollenden emotionalen Flashback. (Diesen Begriff gibt es wirklich - er ist nicht hausgemacht von mir, wie ich gestern heraus fand.)
Letzte Woche war ich zum 2 jährigen RoutineCheckup bei meiner Hausärztin. Es war soweit alles in bester Ordnung bis auf einen kleinen Punkt. So kamen wir auf gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen zu sprechen.
Andere Betroffene werden mich sehr gut verstehen. DAS ist ein Thema zum DAVONLAUFEN! Meine Hausärztin lies jedoch nicht locker und blieb freundlich aber bestimmt bei diesem Thema. Ich erklärte ihr, warum ich lange nicht war. (Saß damals ohne Tel.mglk. in einer Tiefgarage fest!) Außerdem ist dort meine Mutter seit Jahrzehnten Patientin. Mein Wunsch wäre eine Praxis, die ich fußläufig gut erreichen kann. (Nein, mit den Öffies will ich DANN erst recht nicht fahren!) Solch eine Praxis existiert tatsächlich etwa 7 - 8 min. Fußweg von mir entfernt. (Vor einigen Jahren hatte sie eine junge Ärztin von ihrer Vorgängerin übernommen.)
Meine Hausärztin gab mir eine Überweisung mit. Es stand auch darauf, dass ich erstmal ein Gespräch wünsche. Daheim druckte ich den Fragebogen der neuen Ärztin aus und beantwortete brav und wahrheitsgetreu alle Fragen (schon DAS ist eine große HÜRDE!). 
Am Montag betrat ich mich Wackelknien und ordentlich Puls die Praxis. Die Sprechstundenhilfe telefonierte, also setzte ich mich still auf einen der Stühle am Rand. Mein Blick wanderte über moderne, helle Möbel, welche gut zu den lichtdurchfluteten Räumen passten. Eine echt schicke Praxis also! Da uns akustisch nichts trennte, bekam ich mit, dass am Telefon eine Patientin neu aufgenommen wurde. 'Sie möge bitte den Impfausweis zum ersten Termin mitbringen und den ausgefüllten Fragebogen und bis wann sie denn noch mit der Pille reiche. Ja, dass könnte man ja dann gleich...usw.'
Schließlich legte sie auf und ich konnte mein Anliegen vortragen. Gleich lautete die Antwort 'Nein!' 'Ich hätte ja keine Vorstellung, was hier los sei. Vertretung für 2 Praxen. Es ist zuviel zu tun und man könne keinerlei neue Patientinnen annehmen.' (Im Wartebereich saß genau eine - als Zahl: 1 - Frau.) Ich versuchte noch einmal mein Anliegen klar zu machen, dass der akute Bedarf jetzt gar nicht so riesengroß sei, ich bräuchte generell eine neue... 'Nein!' 'Aber sie könne meine Unterlagen der Ärztin ja mal vorlegen...
Bei allem Verständnis für die aktuelle Situation hoffte ich, dass spätestens mit dem Blick in meine Unterlagen klar wurde, warum das für mich so wichtig ist. Ich saß eine Viertelstunde lang ziemlich dissoziiert im Wartezimmer und fühlte mich furchtbar. In kleinen Minischrittchen versuchte ich wieder Bewegung in die zunehmende Erstarrung zu bekommen. Oberstes Ziel war mir hierbei, an diesem Ort nicht komplett 'feste' zu gehen!
Dann wurde mein Name aufgerufen und es gelang mir, in Bewegung zu kommen. Wieder stand die Sprechstundenhilfe mit ihrem 'Nein!' vor mir. Ich versuchte erneut... 'Dann gehen sie doch wieder zu ihrer angestammten Ärztin!' (Ich hatte mehrfach klar gemacht, warum das nicht geht.) 'Oder in XYZ.' Super, da wird die Anfahrt noch länger...
Irgendwann stand ich enttäuscht wieder draußen. An der nächsten Hofeinfahrt zerriss ich Überweisung und Fragebogen und lies es als Armutskonfetti in die Papiertonne dort rieseln.
Ich war wütend! Zuerst mal auf mich selbst. Warum konnte ich meine Situation nicht genügend gut darstellen. Aber ich war auch sauer auf die Praxismitarbeiterin. 
Daheim versuchte ich über die Runden zu kommen. Schrieb meiner Freundin CSF. Begann abends als Reorientierungsübung japanische Schriftzeichen zu lernen. Therapeutin im Urlaub, Ergo im Urlaub und mein verbleibender Joker aus der GBV-Studie abends auch nicht mehr zu erreichen.
Anderntags war es nicht besser, daher brach beim GBV-Termin alles so richtig aus. Aber es traf mit meiner RK ein Gegenüber, was richtig gut fangen kann. Ihre jahrzehntelange Erfahrung als Schwester und Oberschwester im Bereich Psycho einer großen Klinik kamen mir hier zu gute. Sie experimentiert nicht. Sie tut (oder tut nicht!) genau das richtige. Sie hat derartig viel Erfahrung mit Klienten wie mir, dass es für mich einfach nur wohltuend ist, was sie tut oder eben auch lässt. DANKE
Dennoch verlasse ich den Termin danach (ob meiner Gesamtsituation) ziemlich neben der Spur. Ich fahre 'ein bißchen herum'... komme an der Ergopraxis vorbei, komme an der Praxis meiner Th. und Ärztin vorbei, komme an der Praxis meiner ehem. Körpertherapeutin vorbei... So langsam wird klar, was die Kleinen wollen und brauchen... Eine Umarmung, gesehen, gehört werden, Trost und ganz viel Zeit um Sein zu dürfen in und mit diesem Schmerz. Wir fahren... viele Kilometer in eine ganz andere Stadt: Wenn sie da ist, wünschen wir uns nur eine lange und liebe Umarmung, dann gehen wir gleich wieder. Ihr Auto steht unter dem Carport und unser Herz macht einen Sprung. An der Türklingel: Ernüchterung, keiner da. Später erfahren wir per SMS, dass sie doch im Urlaub ist. 
Bevor ich gänzlich heimfahre, stehe ich kurz vor der Nachmittagssprechstunde wieder bei meiner Hausärztin auf der Matte und berichte, was geschehen ist. Sie hört mir in Ruhe zu, bekräftigt dennoch ihr Ansinnen und stellt mir schließlich eine neue Überweisung aus. Zu meiner alten Frauenarztpraxis zurück zu gehen, ist vielleicht doch zumindest eine Teiloption. Auch hier ist eine Nachfolgerin schon gefunden. An einem Tag der Woche ist sie mit in der Praxis und bislang gibt es nur lobende Stimmen zu ihr. Das sich Termine von mir und meiner Mutter dort nie kreuzen, könnte man ja organisieren.  ...ganz in der Ferne kann ich mit Mühe den Schein eines kleinen Lichtes wahrnehmen...
Ja, vielleicht hat sie recht. Es ist sicherlich nicht von Nachteil, die Praxis zu kennen und wenigstens einige Ansprechpartner, die dort arbeiten...

Der Nachmittag und Abend wird dennoch schwierig. Knoten ziehen sich fest und immer fester zu. Die erste Tavor wandert zwischen die Kiefer... Nichts! Dieser elende zahnlose Tiger!!! Die zweite Tavor wandert hinterher... wieder nichts. Mein Mann (der nichts weiter mitbekommen hat, außer, dass ich schlecht drauf bin) bietet mir einen Gin Tonic an. Nehme ich! Dann passiert immerhin etwas. Das tut es auch - wenn auch nicht ganz in die Richtung, welche ich mir erhofft hatte. Ich ziehe mich zurück in meine Himbeerhöhle und riegle ab. Ab jetzt wird es diffus. Eine liebe Freundin LH versucht mich ein wenig zu begleiten, da ich den Login zu einem Krisenchat der Telefonseelsorge auch nicht mehr hin bekomme. Zu einem anderen Chat, wo ich Kontakt bekomme heißt es, nachdem mein Alter erfragt wurde, nur bis 26 Jahre und ich fliege wieder raus. DANKE für die Hilfe in Not. Reden? Nein, reden geht nicht mehr! *bösesLachen* Reden ist für heute abgestellt. Knurren ginge vielleicht noch... Irgendwann übernehmen Medizin und Alk doch das Zepter und ich schlafe auf meinem Bett ein, so wie ich bin: In Klamotten, mit Kontaktlinsen... Als ich wieder zu mir komme, ist es nach 5 Uhr morgens. Meine Realität muss ich mir erst nach und nach zusammen borgen. Das dauert eine ganze Weile - Wer bin ich? Wo bin ich? Alles noch da? Sogar meine Kontaktlinsen sind noch an Ort und Stelle; nur ein wenig ramponiert durch den Schlaf. Am Vormittag nach Physio, Kaffee, Frühstück kann ich nochmal mit der lieben RK von der GBV telefonieren. Das tut gut. Über den Vormittag pendeln sich Puls, Gleichgewicht und Puddingknie wieder auf fast normalen Stand ein.
Ich stehe nun noch immer deutlich neben mir, aber nicht mehr mit der Gefahr sofort umzukippen, sobald sich eine Brise regt.


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