Krümelmonster trifft Elefant

Es ist schon später Nachmittag an diesem stürmischen Freitag. Mein Sohn hat sich summend und singend in der Küche ausgebreitet, um mehrere Ladungen Schokokekse zu backen. Schon bald duftet es durchdringend nach knusprigen Keksen im ganzen Haus. Erste Kostproben werden gereicht und schmecken ganz wunderbar.
Dazwischen saust er noch mit einem anderen Blech umher. Zuckerglas kühlt draußen ab. Später zerbricht er es in handliche Stücke und wird es für die Deko von Desserts aufbewahren. (Vielleicht! Anderntags lutscht meine Tochter nämlich schon das erste Stück davon und stellt fest, das es wie geschmolzene Zuckerwatte mundet.)
Viele Schokokekse später rollt er sich dann doch ein Wiener Würstchen in ein Salatblatt und kaut genüsslich. Er ist zufrieden mit seinem Werk. Ich bin stolz auf meinen 12-jährigen Küchenchef!

Spätabends im Bett wandern meine Gedanken vor dem Einschlafen umher. Immernoch stolz erfüllt von meinem Bäckerzögling.
Ich selbst getraute mich damals nicht einmal den Herd anzuschalten, geschweige denn zu versuchen, etwas darin zu backen oder zu braten. Das Einzige, was ich manchmal tat, war eine kleine Menge Teig zusammen zu kneten (1 - 2 EL voll), um diese dann einfach so roh zu naschen. Heimlich, wenn niemand daheim war.
Meine Mutter hat natürlich nicht nur gekocht am Wochenende oder am Abend mal etwas Schnelles gebrutzelt - sie hat auch immer mal wieder in größeren Abständen etwas gebacken. Nicht oft, aber manchmal eben doch. Wann immer in der Küche etwas vor sich ging und ich helfen wollte, hieß es jedoch "Heute nicht, es muss schnell gehen!". So wurde ich zum reinen Küchenlegastheniker. Die meisten Dinge in der Küche mag ich schlicht nicht. Am ehesten helfe ich noch mit, wenn es etwas klein zu schnippeln gibt oder ich räume die Küche nach einer Schlacht auf. Ich hasse es Brote zu schmieren und es stürzt mich in pure Verzweiflung, wenn mehr als ein Topf auf dem Herd steht. Schon ein einziger Topf versetzt mich in helle Aufregung und ich kann nur mühsam Ruhe in mir schaffen, während es neben mir bei kleiner Flamme gemütlich köchelt. 

Und so geht es weiter mit vielen anderen GEFÄHRLICHEN Dingen...: Mein erstes Streichholz habe ich selbst entzündet, als ich schon volljährig war. (Ein normales Feuerzeug schon etwas eher.) Die erste Sektflasche habe ich irgendwann mit Ende 20 geöffnet. Vorher habe ich mich nie getraut. (Dabei ist das ja gar kein Problem.)
Wenn ich darüber nachdenke, fällt mir eine Geschichte über einen Elefanten ein. Als ganz junger Babyelefant war er mit einem festen Seil am Bein an einen Holzpflock gebunden worden. Jeden Tag aufs Neue versuchte er loszukommen. Doch wann immer er an dem Seil zog, er vermochte es nicht seine Fesseln zu sprengen. Wieder und wieder versuchter er es, bis er sich eines Tages in sein Schicksal ergab. Er wuchs heran, wurde groß und kräftig. Das Seil an seinem Bein war nun im Verhältnis kaum noch ein dickerer Bindfaden und der Holzpflock lächerlich klein und keinesfalls tief genug in der Erde verborgen. Doch unser Elefant kam nicht mehr im Geringsten auf die Idee, sich zu befreien. Ja - fast gehörten Seil und Pflock schon zu seinem Bein, wie seine großen Ohren oder sein langer Rüssel.
So erscheint es mir manchmal mit einigen meiner eigenen Fesseln und Unfähigkeiten. Mir fehlt dann lange Zeit auch nur die Idee, es wenigstens einmal auszuprobieren, vom Mut dazu einmal ganz zu schweigen... 

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