Reha III

Von Weisheit aus der Suppenkelle und Enttäuschung über eine vermeintlich pharmazeutische Wunderwaffe...

Vorab: Ich muss lästern! (Sonst sprengt es mir den nicht vorhandenen Kragen!)

Die Unachtsamkeiten der ersten Tage gingen tatsächlich weiter. Am Montag sollte also die Stationsärztin S. die medizinische Aufnahme und körperliche Untersuchung bei mir vornehmen, da ich selbiges ja am Freitag dem Herrn Arzt verweigert hatte.  Dieser Arzt war noch in ihrem Sprechzimmer und erst sah es so als, als wöllte er dem kompletten Termin beiwohnen. (Dann wäre ich gar nicht erst hinein gegangen.)
Doch er ging, ich konnte rein und es ging los. Erstmal jede Menge Fragen, zu dies und das, dann auch zu traumatischem Material, was entsprechend schwierig, aber nicht unlösbar war. Fragen zur Familiengeschichte etc. pp. Gefühlt waren 2/3 des Termins herum, als die Tür aufging und wieder dieser Arzt in der Tür stand. S. fragte mich, ob er bleiben könne, ohne zu begründen warum. Da ich annahm, es könne nicht mehr viel Empfindliches kommen, stimmte ich zögerlich zu. Recht war es mir nicht, aber ich traute mir auch kein Veto zu. Fast wie "geplant" fiel doch nochmal eine kritische Frage aus dem "Rucksack"! (Sollte das ein Test werden?) Natürlich war mir das extrem unangenehm, ich verstummte, suchte Worte, versuchte irgend einen Ton nach draußen zu bringen. Nix. Nicht einmal das Krächzen eines alten Regenrohres konnte ich mir entlocken. Besagter Docspion stand nun auf und verlies das Feld. "Danke!", krächzte ich ihm noch wie ein alter Rabe erleichtert hinterher.
Schon wie bei Ankuft, warb Stationsärztin Frau Dr. S. darum, wie sehr ich ihr doch vertrauen könne und dass es allen auf der Station gut gehen solle und sie liebe mich und... (dass alles in breitem russischem Akzent)
Die Skepsis der ersten Tage wuchs noch deutlich an. So gewinnt man die kleine Mannschaft nicht - so jagt man sie von dannen!!!

Es kam der Dienstag und wir hatten Gruppe bei S. - "Sie mache alles gaaanz anders als die anderen!" - zumindest das entsprach der Wahrheit!
Es war eine überaus laute, überfordernde, autoritäre und manipulative Gruppentherapie, welche viel zu lange dauerte und die Teilnehmer in verschiedener Hinsicht bis auf das Äußerste überforderte. Die Inhalte, welche sie vermittelte, waren per se nicht falsch, aber sie waren falsch präsentiert und zu viel auf einmal. Weisheit aus der Suppenkelle!!! Sie duldete keine Widersprüche, wertete, verhielt sich mehrfach ambivalent und übergriffig. Ich fühlte mich extrem unwohl, konnte jedoch nicht mehr flüchten - irgendwie überstehen... Zum Schluß der Runde erlies sie ein Schweigegebot (das übliche über Themen und Inhalte blabla, sehe ich Euch alle abwinken) - es war die Art und Weise, wie sie es aussprach: Für uns war es ALLUMFÄNGLICH! Wir trauten uns nicht zur Pflege damit und nicht zur Psychologin. Nichts. Die Angst wuchs.

Direkt danach hatte ich wieder bei ihr - Progressive Muskelrelaxation (vom CD-Player!).
Am Ende der Stunde raunzte sie eine Mitpatientin an vor allen anderen (sie war mittendrin leise aufgestanden und hatte sie etwas fragen wollen - mir war nicht aufgefallen, dass sie überhaupt aufgestanden war). 
Ich hockte am Boden, hörte die Schelte, die nicht mal an mich ging und driftete weg. Hände und Finger wurden taub, das Hören reduzierte sich, der Tinnitus schwoll dafür an. Das Sehen schränkte sich ein und schwand schließlich ganz. Starre erfasste mich. Der Raum leerte sich. Ich rührte mich nicht und S. kam zu mir. "Was denn sei?" Es dauerte eine Weile, bis ich flüstern konnte, sie solle bitte nicht mehr schimpfen... Sie versuchte zu erklären, warum das so war, und dass sie ja nicht geschimpft hätte. "...bei uns kam es aber so an... es traf uns sofort... und außerdem haben Einige von uns Angst vor Ihnen..."  "Aus der Gruppe?", hakte sie nach. "Nein, von uns im Innen." Sie lobte uns, dass wir ihr das direkt sagten. Hier hätten wir weiter reden MÜSSEN um das Schweigegebot zu klären, aber wir hatten gar keine Kraft mehr.
Am Abend lies uns das Schweigegebot keine Ruhe mehr und wir schrieben aus höchster, innerer Not an S. einen Brief, den wir zu später Stunde unter ihrer Bürotür durchschoben. (Es durfte ja niemand anderes wissen.)

Anderntags starteten wir mit Faszientraining in der Sporthalle. Der ganze Körper zitterte schon wie Espenlaub. Alle warteten auf den Beginn des Kurses. Mitpatient Unwiderstehlich kam dazu und riss einen flachen, sexistischen Witz. Alle lachten. Wir kämpften gegen Zittern UND Dissoziation. Das Faszientraning begann und der Übungleiter fasste uns wiederholt korrigierend an. Als er dann im Hüftbereich angelangt war, brachte ich sehr zu meiner Verwunderung hervor, dass er das bitte lassen soll. Die nächste Übung triggerte so stark, dass nur noch zitternde, weinende Flucht nach draußen möglich war. Ich sprach eine Frau an, ob sie mich nach oben bringen könne, ich müsse hier raus, wisse aber den Weg nicht mehr. Gemeinsam suchten wir eine ganze Weile, auch sie war in ihrer ersten Woche.
An der Pflege war die Tür zu und die Lampe rot. Super! Aber da war auch meine liebe Tischnachbarin M. Die Tür daneben stand jedoch auf und glücklicher Weise saß meine Psychologin gerade in diesem Raum. M. machte sie aufmerksam auf mich, dann war ich erstmal in Sicherheit. Nachdem ich einen mittelgroßen Berg Taschentücher vor mir angehäuft und dabei stockend von meinem Morgen erzählt hatte, ging ich wieder auf mein Zimmer. Doch das Zittern wurde immer stärker. Außerdem rutschte ich immer wieder in die Hyperventilation. Also zurück zur Pflege (Tür zu / rot!). Aber ich wollte auch keinen Meschenauflauf in meinem Zimmer haben. Glück: Tür war auf, Schwester im Türrahmen. Ich sprechunfähig. Sie rief den Chefarzt an. Der hat sein Domizil um die Ecke und kam auch aus der Tür, wollte dass ich in sein Büro komme. Doch dass war zu viel. Ich weiß noch, dass ich zurück wich so gut es ging und immer nein-nein wimmerte. Dann gab mir eine Schwester Tavor als Schmelztablette.
Mit Taschentuchbox und schmelzendem Tavor, richtete ich mich so gut es ging auf dem Gang hinter einer Sitzbankgruppe ein. Ich fühlte mich wie ein Tier, nicht von dieser Welt! Ich zitterte und heulte - es wollte einfach nicht ruhiger werden in mir. (Das Tavor soll doch so ein Hexenzeug sein, Wieso hext es nur nicht bei mir?!)
Nach einer Stunde, konnte ich mein Zittern, was immer noch sehr stark war, für 1-2 sek. kurz und bewusst anhalten. Nach der 2. Tavor hörte das Zittern am Mittag endlich auf. Nun musste ich endlich mit Dr. S. über unseren Brief sprechen! Sie empfing mich, hatte den Brief aber noch nicht gelesen, nur den Anfang (der gleich damit beginnt, dass ich in höchster Not schreibe - ICH hätte weiter gelesen - sie nicht!). Ich fragte, ob ich ihr den Brief vorlesen solle. Sie bejahte - ich laß. Reaktion war praktisch gar keine. Vielleicht habe ich etwas vergessen, aber es war unemotional. Kalt. Sie mag mich trotzdem. Wir alle seien wie ihre Kinder und sie passe auf uns auf. (Kann man die Höhe der Gänsehaut messtechnisch erfassen?!?)

Direkt danach durfte und KONNTE ich dem Chefarzt ins Büro folgen (der eigentlich ein ganz lieber Kerl ist und sehr bedauerte, keine Frau zu sein...). Er legte fest, dass ich nur noch weibl. Th. bekomme und das auch Frau Dr. S. nicht mehr für mich zuständig sei, wenn das besser für mich wäre. *nicknicknick* Zum Abschied stockte er unserem Tavorvorrat auf und schenkte uns einen kleinen Igel. (Stein)
(Anm.: Begründung bzgl. Dr. S. lasse ich auf meiner Seite - sie triggert sehr viele Themen an, die ich mit meiner Mutter habe! Wer mit ihr gut kann - bitte sehr. Ich kann es nicht.)

Am Freitag war Visite - auf dem Patientenzimmer! - auch so was, was ich unschön finde. (Das ist hier mein Schutzraum!) Dieses Mal kam der Chefarzt persönlich - gut das wir uns nun schon ein wenig kannten. Ohne viel um den Brei herum zu reden, empfahl er mir direkt 2 Wochen zu verlängern. Ich nehme das Angebot an. Fühlt sich an, als habe ich ihn ein wenig auf meiner Seite... Das kann so schlecht nicht sein.



Mit einer weiteren Medi-Ausstattung ala Chefarzt Spezial schickte er mich dann schmunzelnd in ein SCHÖNES Wochenende. Und bis jetzt war das Wochenende auch schön...

Danke, liebe M.! ♡


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