Fortschritte sehen & feiern / Rückschritte in Schach halten

Ich darf auch die Erfolge feiern...

Der Gang der Dinge ist noch immer jener...: "Dir geht es noch gar nicht besser. Eher immer schlechter..." Das Dumme daran ist - es reflektiert zum Teil sogar meine eigene Wahrnehmung. Dennoch ist da das Wissen: Was immer sich zeigt, war schon da und wurde nur lange Zeit kompensiert und verdrängt. Diese Mechanismen funktionieren jedoch nicht mehr. Das passiert nicht plötzlich - eher wie bei einem Rad, dass weiterrollt, irgendwann immer langsamer wird, ins Eiern gerät, bis es sich schlussendlich zur Seite neigt und dann trudelnd zum Stillliegen kommt.
Ob ich schon liege?! Ich weiß es nicht.
Wenn ich genauer hinschaue, bemerke ich schon wichtige Veränderungen. Bei meinem Klinikaufenthalt 2018 war meine Wahrnehmung für Grenzen mich selbst betreffend kaum rudimentär vorhanden: Ein Körpertherapeut war drauf und dran mich (in liegender Position) ungefragt anzufassen, um etwas zu demonstrieren. (Ein No-Go in der Arbeit mit traumatisierten Menschen.) Ich hatte schon dicht gemacht; war ihm liegend "ausgeliefert" - da rief eine Mitpatientin, die gut aufgepasst hatte. "STOP! Nicht anfassen!" Seine Hand verblieb regungslos über meinem Rücken und alsbald zog er sie wieder zurück. Erst dann setzte bei mir eine Wahrnehmung dafür ein, was hier gerade passiert war (oder eben NICHT passiert war!).
Mittlerweile gelingt mir das Erkennen solcher Grenzen deutlich besser, jedoch vorerst nur in relativ entspannten und geschützten Situationen. Aber - immerhin.

Diese-meine-unsere Fortschritte sind im Außen natürlich nicht offensichtlich und tragen auch noch nicht wesentlich zur Verbesserung meines Gesamtbefindens bei. Aber es sind erste Anfänge gemacht.

Der Pferdefuß an der Sache ist, dass solch eine "Mir-geht-es-gut-und-ich-freu-mich-ein-wenig"-Party nie von langer Dauer ist.

Seit 3 Tagen kaue ich wieder einmal auf meinem allergrößten Brocken herum und das bereitet mir größte Schwierigkeiten. Mein nahes Umfeld ist etwas latent genervt - ala: Wat denn nu schon wieder?

Ich selbst würde derzeit gerne den K.O.-Knopf drücken. Das muss ja nicht der "letzte Schuss" sein. Aber wenigstens ein: Ich muss mal wieder aus allem raus und brauche derzeit mehr Unterstützung, als sonst...
Dabei gestehe ich: Mein Helferteam ist nicht klein. (Aber es ist uns trotzdem zu klein. Wir sind viel zu oft allein und niemand ist für uns da...!) Da ist unsere Therapeutin und Ärztin, da ist unsere Ergotherapeutin. Da gibt es noch jemanden von der GBV-Studie (GemendepsychiatrischeBasisVersorgung), an der wir teilnehmen. (Diese Frau ist ein absolutes Unicum - mit allen Wassern gewaschen. Sie hat jahrzehntelang in der Pflege auf einer psychiatrischen Station gearbeitet. Ihr müssen wir fast nichts erklären, da sie Vieles gesehen, erlebt, gehört und auch geteilt hat. Zum Beispiel ihre Obstpause mit kleinen Innenpersonen von PatientInnen mit dissoziativen Erkrankungen. Es ist so wohltuend, wenn man einfach so verstanden wird!)
Dann sind da noch liebe Freundinnen aus Klinikaufenthalten und ein Kriegsenkel (Er ist natürlich nicht nur Kriegsenkel: Auch Menschenversteher und Entenfahrer!) aus der Zeit des "Kontaktabbruchs".
Vor Ort sind auch noch liebe Menschen, die Verstehen, ohne in meinen Themen drin zu stecken: Freunde und Nachbarn.

Meine Familie habe ich noch nicht genannt: Sie ist sehr wichtig. Sie hat einen Sonderplatz. Ohne diese 3 lieben Mitmenschen wäre ich noch viel schlechter dran. Wahrscheinlich würde ich gar nichts mehr alleine geregelt bekommen und müsste in ein betreutes Wohnprojekt ziehen... Ich weiß es nicht. Aber ich bezweifle stark, dass ich alleine auf Dauer klar kommen würde.
Die Krux dabei ist: Je schlechter es mir geht, umso weniger brauche ich die Familie, wie ich sie habe. In der ich Mutter bin und Partnerin, Mitgestalterin unseres Familienlebens und Organisator einiger verbliebener Eckpunkte. Diese Rollen kann ich dann jedoch zunehmend weniger bis gar nicht mehr erfüllen. 
Bleiben nur die Kleinen in meiner Mannschaft übrig und aufrecht, brauche ich Mutter oder Eltern, brauche ich Fürsorge und liebevolle Struktur, brauche ich Zuwendung und Aufmerksamkeit...

Das alles kann ich nicht sehen, wenn die Großen mal wieder ausgefallen sind und nur die Kleinen da sind, welche sich nicht allein beruhigen können. Welche verzweifeln, Angst haben nun doch allein zu bleiben. Die Kleinste hat nun mal keine Vorstellung davon, dass liebe Mitmenschen und Freunde auch dann noch da sind, wenn sie gerade nicht zu sehen/zu hören sind. Das hat sie einfach nicht gelernt - denn damals war da niemand und kam auch nicht zuverlässig zurück.

Daher war einer meiner allerersten Sätze an meine Therapeutin 2016: "Jetzt muss endlich mal jemand bis zum Ende da bleiben!"
Dieser Satz war ernst gemeint bis an die aller kleinste Stelle. Damals nahm sie diesen Satz etwas verwundert entgegen, meine ich. Schon lange ist das Wundern darüber verschwunden, meine ich... Sie nimmt mich ernst damit und das ist unbezahlbar.

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