Arbeitsleben mit ESD VII

Gerade bin ich mir unsicher, ob es nicht etwas früh ist, hier schon über meine Erfahrungen zu schreiben, welche ich in meinen 2 Probewochen gemacht habe...

Während der erste Tag noch voller Euphorie und Zuversicht war, wandelte sich das Blatt dann schneller und grundlegender, als ich es mir je hätte denken können. Was passierte?
Das weiß ich bis jetzt auch noch nicht genau. Sicher ist nur: Irgendetwas stimmt da ganz und gar nicht!
An den übrigen Tagen der ersten Woche wurde in meiner Nähe/ mir gegenüber immer wieder ganz viel Überforderung geäußert. Was passiert automatisch mit mir? Ich übernehme die Verantwortung in vollem Umfang, noch bevor ich das selbst richtig gemerkt habe. Gecheckt habe ich das erst später.
Zu Beginn der 2. Woche sollte ich eigentlich vom Kreativbereich in den Bürobereich wechseln. Durch Krankheit war das jedoch nicht möglich und ich begab mich einen weiteren Tag in den Kreativbereich. Ach - Hallo! - Die alte Bekannte "Überforderung" war auch aus dem Wochenende gut erholt zurück. Als ich am frühen Nachmittag wieder daheim war, hatte ich ein ziemlich desolates Level erreicht: Kaputt. Fertig. Überfordert. Unruhig. Mit hohem Bedürfniss das, was da gerade mit mir passiert, aufzuklären. Also schrieb ich eine laaange Mail an die beiden Damen, welche für die Koordination und Beratung zuständig sind. Ich wurde - wenn auch recht knapp - passend wahr genommen und gesehen in der Antwort und Klärung wurde in Aussicht gestellt. Die restliche Zeit der 2. Woche war ich im Bürobereich und in etwa so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Zu diesem Zeitpunkt war ich vom Konzept des Hauses erneut begeistert: Weg von der klassischen "Behindertenwerkstatt", hin zu einer echten kleinen Firma mit gelebter Inklusion von Menschen, welche mit ihren Einschränkungen einfach nicht auf dem 1. Arbeitsmarkt arbeiten gehen können. Toll!

DANN

Kam das Abschlußgespräch. An dem nahm kurzfristig und überraschend die Geschaftsführerin teil - was ich bis dahin recht gut fand. Ich wollte gerne kennen lernen, wer da so mutige Visionen versucht klar umzusetzen. Die Ernüchterung folgte auf den Fuß.
Ich bin zu funktional.
Ich bin in meiner Arbeit zu selbstständig.
Die Überforderung der Arbeitstrainer mit mir resultiert da raus, dass sie nicht wissen, wie sie mit mir und meiner Erkrankung umgehen sollen. Damit habe man hier einfach noch keine Erfahrungen.
Das Team sieht mich hier eher nicht als passenden Teilnehmer...
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Rauschen.
Nebel.
Es beamt mich weg.
Ich merke noch, wie ich im Stuhl tiefer rutsche und beginne zu erstarren.
Ansprache an mich hält das Wegdriften auf.
Meine Augen füllen sich nun mit Tränen.
Ich beginne zu zittern.
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Nach einer Weile schickt die Geschäftsführerin die Koordinatorin aus dem Raum.
Wir sind allein. Was nun folgt, möchte ich etwas aussparen.
Ich möchte dazu nur sagen, dass ich in extreme Überforderung rutschte - stark zitterte und weinte. Vom Gegenüber wurde mir mein Zustand reflektiert. Es folgte auch die Frage, ob wir unterbrechen sollen. Aber, was tut man, wenn man in einer extrem unangenehmen Situation ist? Nein - man möchte nicht unterbrechen! Man will einfach nur, dass es endlich vorbei sein möge!
Das Gespräch endete dann immerhin so, dass beide Seiten halbwegs das Gesicht bewahren konnten.
Ich zitterte mich zurück zu meinem Platz im Bürobereich. Mein Gesicht rutschte nun doch herunter und ein Schwall an Tränen hinterher. Alle waren in der Mittagspause. So hatte ich einen Moment Ruhe. Ich begriff: Wenn ich es nicht schaffe, alle im Innen soweit zu beruhigen, dass wir wieder Auto fahren können, kommen wir hier nicht weg. Dann müssten wir warten, bis uns jemand abholen kann oder ein teures Taxi nehmen. Ein Arbeitstrainer kam herein. Er fragte, ob er helfen kann. Wir baten ihn, die Dame von der Koordination und Beratung nochmal ausfindig zu machen. Sie kam dann auch nach kurzer Zeit. Wir wechselten in einen separaten Raum, wo ich versuchte mich zu beruhigen. Doch zwischen uns war wie eine unsichtbare Wand gewachsen. Ich kann sie nicht genau beschreiben. Dennoch reichte ihre Anwesenheit und ein paar Minuten Gespräch, um den Tumult im Innen etwas zu befrieden.
Wir gingen.
Wir fuhren.
Wir brauchen jemanden.
Wir brauchen Trost.
Wir brauchen eine laaange Umarmung.
Wir fuhren.
Durch die Stadt.

Zu unserer Freundin, die wir in der Reha kennen gelernt hatten. Sie war zu Hause. Kaum hatte sie die Tür geöffnet, nahm sie uns auch schon in den Arm, hielt uns und wir weinten und schwnakten und weinten... Einige Zeit später hingen wir wie ein Schluck Wasser in ihrem großen, gemütlichen Sessel. Sie kochte inzwischen Kaffee. Nach einer guten Weile im Sessel und etlichen Schlückchen heißen Milchkaffees, fanden wir alle auch nach und nach unsere Sprache wieder. 
Danke, liebe MP ♡ 
Der seelische Schmerz wich so weit, dass wieder mehr erwachsene Funktionalität zur Verfügung stand. Aber WEG war der ganze Budenzauber damit nicht. Der seelische Schmerz verzog sich als körperlicher Nervenschmerz in die linke Hälfte unserer Außenhülle. Von Kopf und Ohr zog der Schmerz bis in Schulter, Arm und Finger hinein...
Wieder daheim war ich einfach nur Schrott. Viel war nicht mehr von mir übrig und der Rest war schmerzverzerrt und völlig erschöpft. Zur Ruhe kam ich am Abend trotz Hammermedikation dennoch nicht. Normalerweise hätte ich nach Sekunden ins Koma fallen müssen. Stattdessen wand ich mich in höchster Unruhe und Schmerzen im Bett hin und her. Wann mich der Schlaf dann doch weg zog, weiß ich nicht. Längst hatte ich jegliches Zeitgefühl verloren...

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Was blieb am anderen Morgen, als ich wieder halbwegs geradeaus denken konnte?
Wir passen dort nicht rein.
Wir überfordern andere. (Massive Schuldgefühle entstanden bei den Jüngeren!)
Wir = Alien.
Nicht von dieser Welt.
Was tun wir hier?
Fluchtreflex.

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Nun muß erstmal noch jede Menge "Luft" an diese Sache. Ich weiß nicht, ob ich dort meinen Berufsfindungsweg antreten kann (Das wurde von der Geschäftsführerin so halb offen gelassen.)
Im Moment sagt das Innen ziemlich geschlossen NEIN. Zu verletzt und zu enttäuscht sind wir aus den 2 Wochen Probezeit wieder heraus gekommen.
Die Frage ist, was an diese Stelle treten könnte. Ähnlich passende Projekte gibt es hier nicht...

Große Grütze! 😱

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