12 Uhr? oder schon danach...?!

5 vor 12??  oder schon 5 nach 12?!

Das Kirchengeläut vor dem Fenster spricht von 12 Uhr. Mittlerweile eher kurz danach. So fühlt sich im Rückblick auch alles an.
Habe lange gebraucht um heute aus meinem pharmazeutisch-induzierten Minikoma aufzuwachen. Doch was hätte ich gestern tun sollen?  Mit Herzrasen schlafen zu gehen verspricht eine sehr unruhige Nacht...

Was war? Die Enge vom Samstag hatte natürlich einen trifftigen Grund: Es war eine beunruhigende Frage meines Sohnes, die wir erst ein wenig verkannt und daher auch falsch interpretiert - falsch beantwortet hatten. Abends hakte ich nach und es stellte sich heraus, es ging gar nicht um ihn selbst, er war nur der Beobachter. Es ging um meine Tochter und um Opa! Eine kleine, kurze Szenerie nur - welche jedoch einen deutlichen Grenzübertritt beeinhaltet. 
Mein Schock darüber lies mich in diesem Moment zwischen meinem Sohn und mir ruhig bleiben. Da es mir nach einem Einkauf mit ihm ohnehin schon schlecht ging, bemerkte er die weitere Verschlechterung gar nicht.
Als er sein Abendessen verputzt hatte, freute er sich ganz unbedarft auf gemütliches Fernsehen, schon spürend, dass Mama heute wohl nicht genau auf die Uhr schauen würde. (Damit sollte er klar recht behalten.)

Der Versuch einer Fokussierung meinerseits scheiterte genauso, wie die Klärung der Frage "wie schlimm dass denn nun wirklich" ist.  Durch jahrelang eingeschliffene, verbale Verharmlosungen ist mir eine Neutralität bei der Beurteilungen solcher Szenen gar nicht mehr möglich. Entweder verharmlose ich oder ich reagiere total über - dessen war ich mir sicher.
Ich versuchte mich an: Was wäre wenn Paar xyz nebst Tochter das passiert wäre? Wie würden sie reagieren? Was wäre, wenn er es bei einer bekannten erwachsenen Frau gemacht hätte?
E m p ö r u n g ! ! !
Und das zu recht. Seine Hand kann er beim Verabschieden, Begrüßen oder Umarmen auf dem Hintern seiner eigenen Gattin parken, aber bei keinem anderen sonst...! ☠

Ich informierte meinen Mann, der auf einer Dienstreise war. Er reagierte verwundert und verärgert. Immer wenn er mit den Kindern zu Besuch war, machte mein Vater das nämlich nicht. Es ist also nicht einmal eine gedankenlose Gewohnheitshandlung (und auch die wäre nicht in Ordnung), sondern er ist sehr wohl in der Lage zu steuern, wann er das macht.
Nach dieser Erkenntnis spätestens trifft mich die glatte S p r a c h l o s i g k e i t .

Ich habe meinen Eltern ohne Ende Zugeständnisse gemacht. Diesen wertvollen Schatz des Kontaktes, den sie zu den Enkelkindern trotzallem noch haben dürfen, treten sie so mit den Füßen?
Eine etwas ältere Freundin von mir, würde jetzt weise die Augen verdrehen. "Hab ich Dir schon 2017 gesagt.", höre ich ihre Stimme mahnen. Der Satz ist wenig hilfreich, aber ich schreibe ihr gut, dass sie ja nicht in meiner Haut steckt und einfach nur einen objektiv korrekten Rat gegeben hat. Als es das Gespräch 2017 nicht gab - meine Eltern lehnten ab - hätte die klare Konsequenz ein komplettes Kontaktverbot zu meinen Kindern sein müssen.
A B E R :  Ich habe es einfach nicht übers Herz gebracht. Vielmehr hätte ich selbiges meinem Sohn ernsthaft gebrochen. Ein Dilemma ohne Gleichen.

"Nun sieh zu, wie du da wieder heraus kommst!", höhnt der innere Antreiber.

Genau das ist nun die Schwierigkeit. Im Innen ist die Hölle los. Einige verteidigen meinen Vater, andere überschütten ihn mit wütenden Hasstiraden. Bezüglich meiner Mutter sehen meine Empfindungen nicht anders aus. Dieses innere, ambivalente Spannungsfeld ist praktisch nicht auszuhalten. Es zerreisst mich förmlich in viele tausend Stücke!
Um den Gefühlen wenigstens einen Rahmen zu geben und den Gedanken kleine Trampelpfade anzulegen, habe ich versucht ein Schreiben an meine Eltern zu richten. Darin enthalten sind ziemlich krasse (für andere vielleicht völlig logische und längst überfällige Inhalte):
- meinen Vater anzeigen wegen sexueller Belästigung von Minderjährigen
- Kontaktverbot zu meinen Kindern
- Ich überlege mir, die gesamte Familie von den wahren Gründen meines Kontaktabbruches 2016 in Kenntnis zu setzen.

Vorallem in Vaters (und damit meiner) Ursprungsfamilie wurde über Jahrzehnte viel zu viel geschwiegen und unter den Teppich gekehrt.
Wenn denn dann doch mal etwas geredet wurde, dann meistens über andere, aber nicht mit den anderen.

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Auf so einen absolut-durchgeknallten Tag gehört dann meistens noch eine Krönung obenauf. Und die kam:
Eine meiner wiedergefundenen Cousinen hatte Bilder aus einem Erlebnispark gepostet. Etwa eine Stunde Fahrt von meiner Heimatstadt entfernt, verbrachten sie gemeinsam mit ihrer Oma/Mutter einen wunderbar sonnigen Herbsttag. Sie sehen sich nicht so oft, da sie schon vor langer Zeit in ein anderes Bundesland gezogen war. Auf ein Bild hin grüßte ich und hakte nach, ob es wirklich genau dieser Vergnügungspark bei uns um Eck sei. Ja, sie sei bei ihrer Mutter ein paar Tage auf Besuch. Dann schickte sie ein Bild von ihr mit Enkelin, also ihrer Tochter. Ich freute mich und schickte Grüße zurück. Ich erkannte sie nicht wirklich wieder. Zuletzt müssten wir uns zu Schuleinführung meiner Cousine Mitte der 80-er gesehen haben. 
Ich fragte, ob ich das Bild an Tantchen (die "Möwe") weiter senden dürfe. Ich durfte und die elektronische Visitenkarte mit der Handynummer flog gleich noch hinterher. Tantchen solle sich doch gern mal melden. Sie würde sich sehr freuen...
Auch ich nutzte den Kontakt zum melden...

Dann saß ich heulend da. Ausgerechnet an diesem Tag, findet sich wieder so ein kleines Familienpuzzelteilchen an, mit dem sich vielleicht wieder kleine Bereiche des großen Bildes rekonstruieren lassen...! 


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