Ein ungleiches Paar


 
Ungleicher könnten die Beiden wohl nicht sein...

Was soll das? Will ich Buddha etwa mit Gevatter Tod bedrohen...? Mitnichten.
Buddha dient mir hier nur zum Vergleich.
Er ist ausgeglichen, froh, wohlgenährt und ruht in sich selbst. Ihn wirft nichts so leicht um.
Und der Kleine da nebenan...?! Der Wind bläst wohl einfach so durch ihn hindurch. 
Und sonst? Keine Haut, keine Haare. Keine Muskeln oder Sehnen. Er-Sie-Es steht für meine emotionale Unterversorgung, während Buddha nebenan für einen emotional stabilen und tief in sich ruhenden Menschen steht.

Wir kamen gestern Vormittag ziemlich desorganisiert bei unserer Ergostunde an. Hohe Anspannung und Unruhe. Dazu das Gefühl, jeden Moment zusammenzubrechen. Während wir warteten, wechselten wir den Raum, da wir die große Box mit den Erbsen zum Darinwühlen suchten. Aber die brachte auch keine Erleichterung. Unsere Therapeutin U. kam dazu. Die Stunde konnte beginnen. Kurzes Gespräch über unseren Zustand. Tränen. Auf dem Weg zur Taschentuchbox entdeckten wir das kleine Skelett auf dem Fenstersims: Ha, guck, so fühlen wir uns! Das ist unsere emotionale Versorgung... 
U. schlug vor eine Stunde zur Körperwahrnehmung zu machen. Wir hatten auch schon an den Entspannungsraum gedacht und so zogen wir nochmal um.
Auf der Liege beschwerte U. unseren Körper nach und nach mit Gewichtssäckchen. So waren alsbald Arme, Beine, Kopf und Rumpf auf der Liege fest getackert. 
(Achtsamkeitsübungen zur Körperwahrnehmung bekommen nämlich einen ganz anderen Aspekt, wenn Du Deine Körperteile immer wieder nicht dort wahrnimmst, wo sie eigentlich hingehören. Blöd, wenn sie irgendwo im Raum herum geistern und Du sie erst mühsam wieder einfangen musst mit Deiner Konzentration. Oder richtig blöd ist, wenn Du Dich ganz und gar auflöst. 🙈)
So ausgestattet mit den Gewichten war alles ohne Anstrengung dort wahrnehmbar, wo es tatsächlich hingehört. Ein richtiger Körper mit einer konkreten Außengrenze, die wir fühlen konnten. Ruhe zog für einen Moment ein - tiefe Ruhe. Wir wären bestimmt eingeschlafen, hätte U. nicht immer wieder einmal leise Fragen gestellt. 
"Wie fühlt sich das kleine Skelett jetzt?", fragte U.. "Es lacht! Seine Knochen sind endlich mal alle dort, wo sie auch hingehören."

Später ging es dann darum, dass die Säckchen nach und nach wieder weg genommen werden sollten. Gar nicht!, kommt sofort der Protest von Innen. Dann tiefe Traurigkeit, als doch klar wird, dass es nun mal so ist. Sofort gefolgt von der Angst, dass diese Situation nicht wieder kommt. Wieder Tränen über Tränen, weil wir uns von Säckchen mit Erbsen als Gewicht verabschieden müssen.
Erinnerung! Das Gefühl kennen wir aus der Körpertherapie. Trauer und Angst, wenn die Berührung wieder weg genommen wurde. Aber das hier sind Säckchen. Wir gingen immer davon aus, das diese Reaktion personenbezogen und nicht objektbezogen ist. Aber klar: Auf einer sehr einfachen Ebene ist eine Person auch nur ein Objekt.
...nicht vollständig erlernte Objektpermanenz... Was da ist und verdeckt wird, ist immer noch da, auch wenn es nicht mehr zu sehen ist.
Nach einiger Beruhigung können die Gewichte dann doch gut weg genommen werden. 2 Säckchen bekommen wir mit. Eins haben wir daheim - macht 3. Damit sollen wir täglich 5-10 Minuten (oder länger) üben. Das kleine Skelett grinst noch eine Spur breiter, als U. Buddha nebenan hinsetzt. Wir müssen so lachen! Gegensätzlicher geht es kaum! Wir sprechen über das Sinnbild, was sich hier bietet und den Gegensatz. Zum Schluss fragen wir, ob wir Skelettchen auch mitnehmen dürfen. Wir haben ihn-sie-es quasi schon adoptiert.
(Für unsere emotionale Unterversorgung hatten wir in der Ergo schonmal ein anderes Sinnbild: Eine trockene halbe Kastanienschale. Hier hat die Adoption nicht geklappt.) Das Sinnbild des Skelettes für unsere emotionale Unterversorgung gibt es jedoch schon länger, somit passte die kleine Figur perfekt.

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Klar ist: Skelettchen wird niemals wie Buddha werden und aussehen. Erstes Ziel in der therapeutischen Arbeit ist, dafür zu sorgen, dass seine Knochen immer öfter und immer besser an Ort und Stelle bleiben. Wenn das klappt, gibt es im weiteren vielleicht eine Chance, dass ein paar Sehnen und Bänder wachsen können, die Skelettchen dabei helfen, den ganzen Bau zusammen zu halten. Vielleicht besteht dann auch die Chance, dass Skelettchen ein paar Muskeln wachsen, die ihm Bewegungsmöglichkeit aus eigenem Willen und Antrieb heraus gestatten?!
Wenn wir dann noch einen Wunsch frei hätten, wären Haut und ein paar Haare die Krönung! Dann könnte sich Skelettchen nicht nur wieder frei bewegen, sondern wäre auch noch etwas geschützter.
Und ob er-sie-es je ein klein wenig Fett ansetzen wird? Wer weiß, wer weiß...

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Anmerkung: Die "Säckchen" sind tatsächlich Säcke von einigem Gewicht. Als ich die 2, welche ich mitnehmen durfte über den Arm gelegt trug, fühlte jener sich nach wenigen Metern ziemlich lahm damit an.
Säckchen, wie man kleine bis mittlere Körnerkissen zur Wärmebehandlung kennt oder Kirschkernkissen für Kinder, verschwinden von der Wahrnehmung her nach kurzer Zeit. Nur größere Gewichte nehmen wir für längere Zeit ohne Mühe war.

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