Kippensammlerin 2.0 - Das Upgrade
Immer wieder hadere ich mit mir, keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen zu können. Sätze, wie: 'Ich bin ein fauler Schmarotzer!' & 'Ich trage nichts zum Gemeinwohl der Gesellschaft mehr bei.' geistern dann immer wieder in mir umher. Eine Schmach, Leistungen zu beziehen, die andere verdienen, erwirtschaften und einzahlen.
Was kann ich also tun? Nichts Reguläres und Festes jedenfalls. Also etwas Freies, was ich immer dann tun kann, wenn es mir gerade möglich ist...
Anfang Sep. bekam die sehr betagte Omi meines Mannes immer mehr Schwierigkeiten, ihren Alltag noch allein gestalten zu können. Nach mehreren Stürzen kam sie nun erst ins Krankenhaus und dann unvermeidlich auch ins Pflegeheim. Beim Sichten und Sortieren in ihrer Wohnung fiel mir ihre Greifzange mit Verlängerung in den Blick. Irgendwer hatte sie wohl mal angeschafft, damit sie Fallengelassenes ohne Bücken wieder aufheben konnte. Mir jedoch kamen meine Kippensammelspaziergänge in den Sinn. Die Methode des reinen Aufpikens war ja doch etwas mühsam und beschränkte sich auf die Kippen.
Seitdem bin ich also mit der Greifzange unterwegs und schnappe mir auch andere Objekte, wie: Kippenschachteln, Bäckertüten, Dönerverpackungen, jegliche Süßkramverpackungen, leere Trinkpäckchen, Kronkorken, Glasscherben, verlorene Schnuller, Hundekotbeutel, zertretene In-Ear-Hörer und zahllose Papiertaschentücher. Natürlich hebe ich auch die Kippen weiter damit auf und konnte feststellen, dass sie sich mit der Greifzange sehr präzise fassen lassen. Noch immer zähle ich die Kippen mit und bin nun mittlerweile bei knapp 10.000 angelangt.
Somit bin ich immer wieder mal an der frischen Luft in Bewegung und habe statt eines ziellosen Spaziergangs immer wieder kleine Ziele vor Augen - die fallengelassenenen Müllobjekte meiner Mitmenschen. So kann ich in die Gesellschaft etwas zurück geben, auch wenn es nicht jedem sofart und ganz beeindruckend ins Auge springt. Die Welt ist ein klein wenig sauberer, dort wo mein Weg entlangführte.
Unterhaltsam sind bisweilen auch die Reaktionen auf mein stilles Sammeln hin. Manche sprechen mich an, meist mit Lob, oder zeigen mir sogar unaufgefordert ihre Aschenbecher für unterwegs. Andere fragen, ob ich das ehrenamtlich mache oder privat. Das "Negativste", was mir bisher entgegen kam war in der Art, dass es 'sinnlose' Arbeit wäre, da ja ohnehin recht schnell alles wieder genau so aussehen würde. Tja, stimmt - aber wenn keiner anfängt...
Am beeindruckendsten sind für mich jene, die nicht aktiv reagieren. Also eher durch verstohlene Blicke, verschämtes Wegdrehen oder aktives Ignorieren. Bei mir kommt dann an, dass wortloses, aber aktives Vormachen, wie es besser werden/ sein könnte, mehr Umdenken und Veränderung in den Menschen hervor rufen könnte, als wenn man sie aktiv auf ihre "Müllvergehen" anspricht und sie damit bloß stellt. So kann jede(r) sein Gesicht wahren und ganz für sich selbst nachdenken und sein Bewusstsein verändern.
Danke, kleine Omi für die nützliche schwarz-rote Greifzange. ♡