Birne Inkognito
Bei meiner ersten Begegnung mit einer Quitte war ich 15 oder 16 Jahre alt. Ich ging mit einer Freundin an Dresdens Stadtrand spazieren und wir plauderten dabei. Die Zeit verging und wir bekamen langsam Hunger. Problematisch war das nicht. Längst hatte der Spätsommer an den Frühherbst übergeben. Vom Fallobst auf den Wiesen konnten wir uns prächtig satt futtern! Nur diese 2 Birnen, welche wir am Wegesrand aufgelesen hatten, waren seltsam. Sie dufteten aromatisch und lecker, erwiesen sich jedoch als steinhart. Seltsam war schon gewesen, dass sie an einigen Stellen einen pelzigen Flaum aufgewiesen hatten, welcher sich jedoch mühelos abreiben lies. Die Bissprobe jedoch schockierte uns! Statt in weiches und saftiges Fruchtfleisch, hieben wir die Zähne schier in einen Stein hinein. 'Aha' dachte ich bei mir: 'daher also der Name Steinobst.' Wir entsorgten diese widerspenstigen Früchte und wandten uns wieder den Äpfeln zu.
Einige Tage später offenbarte mir eine andere Freundin auf meine Nachfrage hin, dass unsere "Birne Inkognito" wohl eine Quitte gewesen sei... 🤣
Ja, wir Stadtkinder aus dem Neubaublock: Was wussten wir schon von Gärten und ihren verborgenen Schätzen.
Vorgestern begegnete meinem Blick wieder einmal eine darnieder liegendende "Birne Inkognito" und ich nahm sie an mich. Nun wollte ich wissen, ob man daraus auch etwas anständig Essbares machen kann.
Heute zückte ich Nichtkoch also das große, scharfe Messer und zerteilte das freche Früchtchen in viele kleine Stücke. Noch ein wenig Apfel dazu, etwas weich kochen. Dann pürieren und mit Gelierzucker nocheinmal aufkochen. Ganz wenig Vanille und etwas Zimt daran, umrühren, abfüllen - fertig!
Wehe, Du mundest mir dieses Mal nicht, Du frech-getarntes Birnchen! Komm Du nur erst auf meinem Brötchen zu liegen, dann werde ich Dich verkosten. 😋
_______________________________
Manch einem Leser mag der Beitrag ein Schmunzeln und ein leichtes Schulterzucken entlocken.
Für mich und uns ist es jedoch immer wieder ein sehr großer Schritt, in der Küche etwas auszuprobieren.
Es sind noch immer Relikte aus der Vergangenheit, die uns hindern: Messer waren zu scharf, der Herd zu gefährlich, der Backofen erst recht! Nichts wurde mir davon erlaubt, wenn ich allein daheim war und erst recht nicht zugetraut.
In Begleitung hieß es stets: "Heute nicht!" ...und war doch mal irgend etwas Kleines möglich, wurde ununterbrochen hinein geredet und korrigiert. DAS ist KEIN Ausprobieren. Das macht keinerlei Spaß...
So war ich dann irgendwann schon (fast) erwachsen, als ich selbst mein erstes Streichholz anriss und schon über 20, als ich meine erste Sektflasche öffnete. Wenigstens hat es dabei geknallt! ...und ich habe es sogar überlebt.
Oh, Wunder.