Grau in grau

Völlig gleich, welchen der bunten Filzstifte ich aus der Packung nehme: Alle malen grau. Hellgrau, dunkelgrau, mittelgrau, ein bißchen grauer als grau...

Schon seit etlichen Tagen verstecke ich mich (wann immer es geht) unter einer Glocke aus Hörbuch oder Podcast. Ich streame so viel, dass es mir auf die Nerven geht, ich aber dennoch nicht aufhören kann. Es hindert mich gar daran, bestimmte Dinge zu unterlassen oder anderes dafür viel länger zu tun, als üblich.
Nun ist aber das ständige Versinken in Gehörtem mehr Symptom als Auslöser. Das ist mir klar. Solange ich passiv zuhörend in einer Geschichte stecke, muss ich nicht aktiv denken. PUNKT.
Wenn ich nicht denken muss, tut nichts weh. Aber es stumpft ab... Ich kann mich zu kaum etwas aufraffen. Bin ich in einer Tätigkeit (aktuell Mosaikrätsel) bleibe ich wieder darin hängen, unfähig mich davon zu lösen! Ich brauche ewig, bis ich den Stift beiseite lege und nach der bereitliegenden Bluetoothtastatur greife, um hier zu schreiben. Die ganze Zeit schon erzählt mir mein Hirn: 'Du könntest dass mal aufschreiben, um so zu versuchen aus der Abwärtsspirale zu entkommen.' Vorher hat es ewig gedauert, bis ich mir mal etwas zu trinken geholt habe. Wasser. Aber auch 'Regenbogenwasser', in der Hoffnung, dass es dann bunter wird. Nicht gut.
Dabei ist heute sogar das Wetter gut. Der Himmel ist bedeckt; die Sonne ist im Wolkenbett geblieben. Es perlen sogar immer wieder Tropfen vom Himmel. Die ausgefahrene Markise erzählt mir murmelnd darüber. Um Wege, Wiese und Beete zu benetzen reicht es jedoch bislang nicht.

Dabei sind die Aussichten gut: Tochter hat einen erfolgreichen Schulabschluss hingelegt und wechselt nächsten Monat ans berufliche Gymnasium. Sohn hat sein Schuljahr auch passabel beendet. Uns allen steht ein schönes Wochenende bevor. Sohn fährt mit weltbestem Kumpel ins Camp, Tochter geniesst ihre junge Liebe und wir Alten kümmern uns mal nur um uns.
Irgendwas fehlt...
Im Innen...?

Aber dass Innen schweigt. Es mag nicht verraten, was fehlt. Gerade bin ich auch aktiv dabei, dass zu verhindern. 'Regenbogenwasser' macht die kleine Mannschaft nicht gesprächiger: Im Gegenteil - es nebelt sie ein und bringt sie zum Schweigen. Zum Schlummern, wenn es mehr wird. Das wird es wohl... Ich merke die Wirkung. Das Glas ist noch zu zwei Dritteln gefüllt.

Um es klinisch auszudrücken: Die Depression holt ordentlich aus, derzeit.

'Regenbogenwasser' - Es kribbelt mich. Es wärmt mich. Es verdichtet den von der Dissoziation vorbereiteten Nebel. Nichts antun! Nein, dass tue ich nicht. Nicht weiteres zumindest. Die Arbeit bei 'Ausweg' mit meinem Sohn zeigt mir, dass ich definitiv noch eine Weile da bleiben muss! Um Sohn eine reelle Chance auf dieser Welt zu geben. Und Tochter auch.
Aber mit klarem Blick von heute betrachtet hätte ich sie wohl nicht in diese Welt gesetzt. So sagte mir auch neulich eine Mutter über den O-Ton ihres Sohnes (Anfang 20): "Mutter! In diese Welt setze ich doch keine Kinder!" Ich verstehe ihn sehr gut.
Aber wie viele GenerationsvertreterInnen mochten das vor uns schon gedacht haben? Und wieviele Menschen haben dann doch wieder Kinder gezeugt, welche auch wieder gelebt haben und die Menschheit voran gebracht haben, anstatt sie durch ihr Verhalten nur zurück zu treiben...?! Sicherlich sehr viele...

Sommerdepression also.
Aktuell überlege ich, was ich (umsetzbar) tun kann, um meine Situation zu verbessern. Mehrere 'Ichs' sind neidisch auf eine Bekannte, welche in 3 Wochen in die Klinik gehen darf. Und auf einen Bekannten, der zu selbiger Zeit in die Klinik gehen darf; auch noch mit unbekannter Dauer. Unbekannt war das bei mir nie und die mögliche Differenz betrug nie mehr als 2 Wochen!
...von außen vorgegebene Struktur, in der man sich nur mit etwas Restaufwand bewegen muss. Ein Segen, dieser Gedanke! Derzeit zumindest...
Ich kann gerade keine Struktur selber gestalten oder auch nur erhalten. Auf Deutsch: Ich kriege gerade so gar nichts gebacken. Meine Höchstleistung ist derzeit, aus dem Bett zu fallen, mich anzuziehen, etwas zu essen (irgendwas!) und etwas zu trinken (auch-nicht-besser!). Mir ist bewusst, dass mich diese wenigen Dinge von einer schweren Depressionsphase abgrenzen. 🙈

*argh*
Ich könnte meine Th. anschreiben.
Ich könnte meine Psychiaterin anschreiben.
Ich könnte meine Frau K. von der GBV anfunken.
Ich könnte Freunde (wen?) anfunken.
Ich könnte alles lassen und weiter 'Regenbogenwasser' schlürfen.
(Nein, dass Regenbogenwasser' macht leider noch nichts bunt!)
Ich könnte laut um Hilfe schreien und mich wie eine total Irre aufführen, um auch eine Klinik besuchen zu dürfen. (Ach, komm schon! Gib Dir endlich Mühe!)
Ich könnte mich aktiv zu Dingen zwingen, die ich eigentlich nicht tun will.
(Dinge, von denen ich gerade noch erfassen kann, dass sie sinnvoll und damit nicht schädlich sind.) (Blog schreiben! Mach ich doch schon!)

An Ort und Stelle bleiben und nichts weiter ändern, kann einen ja manchmal auch retten.

Rätseln.
Trinken.
Sitzen.
Dem Regen lauschen.
Warten.
Atmen.
Annehmen.
     (Ihgitt!)

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