Stille

...

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"Hört Ihr etwas?"
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"Nein?!"
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"Ich auch nicht..."

Doch! Die Digge 🐢 scharrt noch mal ganz kurz mit den Hinterbeinchen, um es sich in ihrer "Zweitwohnung" (Pappkarton mit Wolltuch) so richtig bequem zu machen. Draußen ist ein regnerischer Tag, der Herbstwind pfeifft um die Ecken. Nach einem ausgiebigen Spaziergang in der Küche hat es sich Madame gemütlich gemacht. Außer ihr und mir...ist das Haus leer. Ruhe. Stille. Keiner will was von uns beiden...
Die Familienbande habe ich heute morgen zum Bahnhof gebracht. Nach einer Zugfahrt haben sie auf dem Berliner Flughafen eingecheckt und starten gegen Mittag Richtung London. Eine Woche lang werden sie die Stadt erkunden. Die Warner-Brother-Studios (Harry Potter) stehen dabei genauso so auf dem Plan, wie eine Rundfahrt auf der Themse und ein Besuch des London Eye. Sicher werden sie in diesen Tagen noch viele andere große und kleine Highlights entdecken. Viel Spaß Euch... ♡

Und hier?! Ich bin seit etwa 20 Jahren das erste Mal allein daheim. Also nicht nur tags. Hauptsächlich werde ich alles für meinen Aufenthalt im "Zauberschloss" vorbereiten und geniessen, dass nichts und niemand etwas von mir will. (Außer dem kleinen Schildkrötchen natürlich. Die wird immer mal wieder den treuherzigen "Futter-Bitte"-Blick aufsetzen.)

Warum ich das immer so geniesse, mal allein zu sein...?! 
Ich habe tatsächlich niemals allein gelebt. Aus der elterlichen Wohnung bin ich damals gleich mit meinem Freund und heutigen Mann zusammen gezogen. Dabei habe ich mich oft gefragt, wie das wohl geworden wäre? Welche Art Ordnungsystem hätte ich mir zugelegt? Welcher Einrichtungsstil wäre entstanden? ...meine Idee dabei war immer, nur mit dem Allernötigsten anzufangen. Wahrscheinlich wäre eine Art Flohmarktmischung von lauter Gegenständen entstanden, die ich einfach liebenswert finde. Damit zwangsläufig Geschirr-, Besteck-, Möbelteile, welche erst mal gar nicht zusammen zu passen scheinen. 
Das andere ist das Nichtmaterielle: Welche Alltagsstrukturen würden über längere Zeit entstehen? Welche Routinen und Rituale? In welche Richtung würde ich mich entwickeln, wenn sie kaum noch von anderen beeinflusst wird?

Diese Bereiche kenne ich von mir nicht und kann sie nur näherungsweise erahnen, wenn ich seltenst mal für einige Zeit ganz auf mich allein gestellt bin.
Früher hatte ich solch eine Zeit immer nur dann, wenn ich die Berufsschule in Lübeck besucht habe. Dann war ich meist 2-mal im Jahr für 4 bis 6 Wochen fort von daheim. War dann noch die Zimmergenossin am Wochenende heim gefahren, befand ich mich plötzlich für etwa 48h in einem Raum-Zeit-Gefüge, welches nur mir allein gehörte und welches sich (ich war damals schon volljährig) auch keinem größeren Regelwerk unterwarf. So fuhr ich gerne raus nach Travemünde und ging dort ausgedehnt allein am Strand spazieren. Genoss die Seeluft, hörte Musik von enya, beobachtete die Möwen und suchte Muscheln und kleine Hühnergötter. Freiheit! Das war Freiheit!
Die Freiheit zu kommen und zu gehen - wann ich wollte, wie ich wollte, wohin ich wollte und mit wem ich wollte...! Keiner fragte, wann ich los mache. Keiner fragte, wann ich wieder da bin. Ohne Diskussionen, ob ich nun dieses oder jenes darf?! Und bis wann?! Und... und... und... Ich konnte jederzeit spontan entscheiden oder umentscheiden - ich war mein eigener Herr!
Das beschränkte sich durchaus nicht nur aufs Alleinesein. Mal ging ich mit zwei anderen Mädels mit zum Stadtbummel, mal fuhr ich mit drei anderen zusammen in den HansaPark. Es war NIE, wirklich niemals langweilig...!

Auch heute ist das bei uns daheim oft der Status-quo: Meinem Mann ist immer mal wieder laaagweilig - mir (oder uns) praktisch nie. Einer will immer irgendwas. Idealzustand, denn meist wollen ja mehrere irgendwas. 
Im Moment: Wir wollen in den Zoo! Nein, in die Gemäldegalerie...! Lass mal lieber aufs Herbstfest gehen - ist nur noch heute und morgen... Oar nee, bei dem Sauwetter?! Lieber Sofa und chillen... Malen. Rätseln! Wir haben ewig nicht gepuzzelt! Boah, ist der Blogbeitrag nicht bald fertig getippt?!
Genug Traffic im Hirn?! Ich denke schon...

Unterm Strich sind wir also neugierig, was uns die Woche "alone @ home" so bringt. Vorallem hoffe ich auf etwas nachlassende Anspannung. Es war doch arg viel in letzter Zeit.

So denn, ich geniesse dann mal die Stille im (äußeren) Hause...

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